Mittelständische Unternehmen in der Corona-Krise

Interview mit Unternehmerin Sina Trinkwalder und The Grow-Mitinitiator Gerold Wolfarth

 

Seit vielen Jahren gilt der Mittelstand als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Unter den mittelständischen Unternehmen befinden sich etliche Weltmarktführer und Hidden Champions, die mit ihrer Expertise, ihrer Erfahrung und ihrer Qualität Maßstäbe in den unterschiedlichsten Branchen setzen. Doch die Corona-Krise bringt tieflegende Probleme plötzlich an die Oberfläche. Wir sprechen mit den Erfolgs-Unternehmer:innen Sina Trinkwalder und Gerold Wolfarth über Status quo, Innovationsträgheit sowie Investitionspotenziale im Mittelstand.

 

Liebe Sina, was ist deiner Meinung nach aktuell das größte Problem des deutschen Mittelstands?

Sina: Wir kommen gerade aus einer Situation, in der uns ökonomisch praktisch nichts passieren konnte. Man musste sich geradezu dumm anstellen, um keinen Umsatz zu machen. Kurz gesagt, es ging uns sehr gut. Und plötzlich kommen wir in eine Notlage. In eine enorme Herausforderung für die Gesellschaft. Zunächst haben wir da noch Solidarität erlebt, aber auf einmal kippte die Stimmung. Und jeder dachte plötzlich nur noch an sich selbst. Sicherlich auch aus Überforderung. Da kommt Perspektivlosigkeit, da kommen Fragen auf, was passiert jetzt eigentlich? Und in dieser Situation herrscht in den Managementebenen plötzlich Kreativlosigkeit. Unternehmer geben auf einmal ihre unternehmerische Freiheit aus der Hand und rufen laut nach staatlicher Unterstützung. Weil sie konzeptlos sind und mutlos. Das ist das Resultat aus vielen Jahren Erfolg, in denen Faulheit ok war.

 

“Corona ist die Lupe auf die eigentlichen Probleme unserer Gesellschaft.”

 

Gerold: Unternehmer:innen müssen reagieren und überlegen, was jetzt angesagt ist. Was können wir jetzt ändern? Die Dinge sind wie sie sind. Aber wie machen wir jetzt das Beste daraus? Diese Schnelligkeit und diese Flexibilität, ja diese Kreativität – die zeichnet echte Unternehmer:innen aus.  Profitieren wird, wer jetzt ganz schnell reagieren kann und nicht den Kopf in den Sand steckt, nach Wirtschaftshilfen schreit und abwartet, bis alles wieder gut wird. Das ist nicht Unternehmertum. Dafür treten wir auch nicht an.

 

Was macht eine:n Unternehmer:in aus?

Sina: Ich glaube, Unternehmertum kannst du nicht lernen, sondern das bist du einfach. Wenn du jemand bist, der etwas unternehmen möchte, dann bist du Unternehmerin oder Unternehmer. Das Handwerkszeug, das man braucht, um ein Unternehmen zu führen, das kann man lernen. Aber diesen inneren Drang alles irgendwie lösen zu wollen, das ist wirklich eine Charakterfrage. Das musst du drin haben.

 

Gerold, wie viel konntest du bereits, was hast du dir noch angeeignet?

Gerold: Ich bin ein Self-made-Unternehmer. Ich habe nicht studiert, sondern Mittlere Reife und dann eine Ausbildung gemacht. Und damals habe ich schon immer meinen Chef genervt mit Optimierungsvorschlägen, mit neuen Ideen. Diese innere Unruhe hatte ich schon immer. Und die konnte ich dann mit meinem eigenen Unternehmen ausleben. Auch wenn das mal bedeutet, 100 Stunden in der Woche zu arbeiten. Da muss man durchziehen und nicht lamentieren.

 

StartUps und Mittelstand. Ist das ein guter Match?

Sina: So ein mittelständisches Unternehmen hat schon aufgrund seiner Größe, seiner Struktur, seiner Jahre, die es am Markt ist, eine gewisse Festigkeit. Die wir durchaus mit Erfahrung gleichsetzen können. Das ist auf der einen Seite sehr gut, auf der anderen Seite kann es auch gefährlich werden, da schnell Trägheit entstehen kann. Hingegen die Start-ups, die sind jung und agil. Die haben Ideen, aber überhaupt keine Stabilität. Und die müssen aufpassen, dass sie nicht gleich wieder vom Markt sind, bevor sie überhaupt Fuß gefasst haben. Wenn sich die beiden zusammentun, dann kann das eine wunderbare Kooperation geben.

 

SalsUp ist eine Matchmaking-Plattform, die genau diese beiden Zielgruppen verbindet.

Gerold: So ist es. Ich habe vor vier Jahren begonnen, in StartUps zu investieren und Gründerinnen und Gründer als Mentor zu begleiten. In dieser Zeit habe ich über SalsUp auch ein Unternehmen in den USA kennengelernt, in das ich seitdem investiere. Ich habe die Entwicklung der Plattform weiterverfolgt und das enorme Potenzial von SalsUp realisiert. Deswegen bin ich inzwischen auch mit eingestiegen. SalsUp bietet genau das, was wir gerade brauchen. Und daraus ist ja auch The Grow entstanden.

 

Ist denn genug Kapital da im Mittelstand, um in StartUps zu investieren?

Sina: Ja, das Kapital ist da. Aber leider sehe ich gerade in meiner Branche, im produzierenden Mittelstand, eine Entwicklung, die mir Sorgen bereitet: Man lässt das Geld „auf der hohen Kante“. Die Unternehmen sind zu vorsichtig. Sie wissen nicht, wohin die Reise geht und wollen das Geld nicht ausgeben. Ich sage, das ist der vollkommen falsche Ansatz. Geld ist gespeicherte Kraft und es muss zurück in den Kreislauf. Sonst verliert es an Kraft. Da plädiere ich an meine Kolleginnen und Kollegen im Unternehmertum: investiert das Geld in neue Ideen.

 

“Genau jetzt haben wir die Chance, ganz neu zu denken.”

 

Gerold: Die Welt hat sich grundlegend verändert. Wir haben erlebt was eine weltweite Krise anrichtet und wie die grundlegendsten Dinge in Frage gestellt werden. Aber genau das ist jetzt die Chance ganz neu zu denken. Und ich kann nur unterstreichen: Das Geld ist in Hülle und Fülle da. Jetzt gilt es den Mut zu haben, es richtig zu investieren.

 

Den vollständigen The Grow-Talk mit Sina Trinkwalder und Gerold Wolfarth können Sie hier nachhören.

 

 

Sina Trinkwalder ist Unternehmerin, Gründerin und CEO der ökosozialen Textilfirma Manomama Gmbh. Hier beschäftigt sie Menschen, die nur wenige Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, denn sie sieht es als ihre unternehmerische Aufgabe, Probleme der Gesellschaft zu lösen. Außerdem ist Sina Trinkwalder Leiterin einer Digitalagentur, Investorin und mehrfache Buchautorin.

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